• Sterben und Tod: Vernissage Ansprache von Sibylle Laubscher
  • Sterben und Tod: Vernissage Ansprache von Sibylle Laubscher

Sterben und Tod: Vernissage Ansprache von Sibylle Laubscher

Herzlichen Dank Tom, dass ich ein paar kunstphilosophische Worte zu dieser spannenden Ausstellung sagen darf.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

Ich bin mit Leib und Seele Künstlerin. Seit 10 Jahren studiere ich mit Meister Martin Rabe Kunsttheorie und Philosophie. Nur – je mehr ich lerne, je mehr merke ich, dass ich nichts weiß!

Leonardo sagte:

„Der junge Maler muss zuerst die Perspektive lernen; dann die Masse aller Dinge; dann muss er bei einem guten Meister in die Lehre gehen, um sich an gute Körperformen zu gewöhnen; dann bei der Natur, um sich die Gründe dessen, was er gelernt hat, einzuprägen; dann eine Zeitlang die Werke aus der Hand verschiedener Meister betrachten; dann sich daran gewöhnen, alles in die Tat umzusetzen und selbst die Kunst auszuüben… Der Geist des Malers muss ununterbrochen so vielen Gedankengängen nachgehen, wie die Formen des sichtbaren Lebens sind, die vor seinen Augen erscheinen und diese muss er festhalten und sie sich aufzeichnen und Regeln aus ihnen gewinnen, wobei er den Ort und die Umstände, Licht und Schatten zu berücksichtigen hat.“

Das hat überhaupt nichts an Relevanz verloren.

Als Künstlerin muss ich zuerst mit meinen Sinnen die Phänomene der Welt wahrnehmen um sie dann in eine Form zu realisieren – in der Malerei.

„Durch Kunst errichten die Menschen das Reich der Form in der Mitte zwischen dem Reich der Sinne und dem Reich der Vernunft. Dadurch bringt der Mensch Ordnung ins Chaos.“ (Martin Rabe).

In der Kunst kann der Mensch etwas schaffen was vorher nur den Göttern möglich war: etwas Unendliches, eine neue Welt. Der Mensch ist zwar zeitlich begrenzt zwischen Geburt und Tod. Was Gott, oder wie der Physiker Werner Heisenberg es nannte „die Zentrale Ordnung“ – im makrokosmischen schafft, können wir im Mikrokosmischen.

Und was wir wollen stirbt nicht. Unser Wollen bleibt in der Welt weil es Geist ist und Geist ist unsterblich, nicht wie Materie.

Cusanus sagte der Mensch soll ein schöpferischer Mensch sein, ein Creator der neue Welten schafft die es vorher nicht gab und welche unendlich oft, unendlich verschiedenartig von unendlich vielen Menschen erlebt und verstanden werden.

Insofern ist der Mensch in der Lage etwas Unendliches zu schaffen. Das will er auch weil in ihm die Idee des Unendlichen lebt, somit ist bewusst oder unbewusst alles was der Mensch denkt oder realisiert perspektivisch auf Dauer angelegt. So entsteht auch die Notwendigkeit von Geschichte.

Warum finden wir einen Sonnenuntergang so schön? Weil er unendlich ist und uns selbst an unsere Unendlichkeit erinnert. Aber es genügt nicht ein schönes Bild von genau diesem Sonnenuntergang zu malen, sonst wäre der Künstler nur Nachschaffend, kopieren ist keine Kunst. Kunst muss Neues schaffen, wir müssen zeigen was sein könnte, das Mögliche. Wenn ich ein Stillleben male muss ich es so malen, das es Stimmungshaft, Sinnstiftend und mehr zeigt als das Gewordene. Eine steile Aufgabe die ich mich gerne immer wieder stelle – Farbe, Form und Bewegung in einem Bild zusammen zu bringen.

Wenn ich abstrakt male, dann steigen die Bilder in mir auf (Kandinsky). Aber weil die Bilder in mir geistig sind, kann ich die nicht einfach so auf die Leinwand bannen – Farbe und Leinwand, das ist Materie. Ich muss sie in Formen fassen und gleichgewichten und zu einem Sinngerichtetheit bringen – eine eigene Welt auf einer Leinwand kreieren die vollkommen, in sich geschlossen ist und für den Betrachter offen. Ein abstraktes Bild muss auch ein „Rest Natürliches Element“ besitzen weil wir ja auch aus Natur und Geist sind. Wenn ein abstraktes Bild nur rein geistig ist und kein Rest Natürliches besitzt, lässt uns das Bild kalt. Es ist vielleicht dekorativ, aber nicht sinnstiftend. Es berührt uns nicht.

Kunst ist ein Ausdruck vom Menschsein; die Natur macht keine Kunst, und deshalb ist Kunst ein Spiegel vom Menschen. Und zum Menschsein gehört auch das Sterben. Weil die Idee des Menschen auf Dauer angelegt ist überwindet er darum auch den Tod. Der Tod ist nur einen Übergang zu einem Neuen welches wir naturgemäß nicht kennen. Sonst wäre es ja nicht neu.

© Sibylle Laubscher